Anette Stade: Generationen im Wandel | Die Wirtschaftsfrau
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Im Umgang mit den neuen Medien sind Grossmütter häufig auf die Hilfe ihrer Enkel angewiesen.

Generationen im Wandel

Frau Stade, Sie sind verantwortlich für die Führung des Projekts GrossmütterRevolution. Worum handelt es sich bei diesem Projekt genau?

Das Projekt GrossmütterRevolution ist ein Netzwerk, eine Plattform und ein „Think Tank“ für die Frauen der heutigen Grosseltern-Generation. Das Projekt richtet sich ungeachtet des Namens nicht ausschliesslich an biologische Grossmütter, sondern an alle Frauen dieser Generation.

Wie zeichnet sich diese Zielgruppe genau aus?

Es handelt sich hauptsächlich um Babyboomer, ein Teil davon sind „Vor-Babyboomer“. Die meisten Frauen befinden sich bereits in der nachberuflichen Phase. Die GrossmütterRevolution lebt von dem Engagement der Frauen selbst. Wir bilden Arbeitsgruppen, welche diverse Themen bearbeiten. Dadurch stellt das Ganze ein selbstorganisiertes Projekt dar, wofür ein enormer Zeitaufwand nötig ist. Für Frauen, die sich mitten im Berufsalltag befinden, ist es durchaus eine Überlegung wert, ob nach der Pensionierung nicht ein Betritt der GrossmütterRevolution eine interessante und fordernde Aufgabe darstellt.

Kurz zusammengefasst sollte die GrossmütterRevolution als Netzwerk betrachtet werden, welches vielseitige und interessante Projekte zusammenführt. Dabei können gemeinsame Anliegen und Visionen ausgetauscht werden, Frauen können an bestehenden Projekten mitarbeiten oder sogar ganz neue Projekte lancieren.

Welche Ziele verfolgen Sie mit der GrossmütterRevolution?

Wir wollen die gesellschaftspolitischen Anliegen dieser Generation sichtbar, hörbar und erlebbar zu machen!

Zudem möchten wir der jungen Generation ein aktuelles Bild weitergeben, was die ältere Generation betrifft. Hört man den Begriff Grossmutter, sieht man oft ein Bild vor sich, das im modernsten Fall aus dem 19. Jahrhundert stammt oder aber man hat die Vorstellung der Märchengrossmutter im Kopf, welcher Rotkäppchen Kuchen ans Krankenbett bringt. Die GrossmütterRevolution möchte dieses Bild ändern.

Die GrossmütterRevolution gibt der älteren Generation eine Stimme, transportiert neue Rollenbilder und schafft die Vorstellung einer gesellschaftlichen, interessierten Grossmutter.

Wie hat sich das Bild einer Grossmutter im Laufe der Zeit verändert? Was macht die moderne Grossmutter aus?

Die besagte Generation sei im Durchschnitt die Vermögendste aller Generationen, die es jemals geben wird, da sie in den Wirtschaftswunderjahren gearbeitet hat. Besser qualifizierte Personen konnten ein sehr hohes Gehalt erzielen. Auch sind diese Leute die Ersten, die eine volle AHV und Rente erhalten. Das heisst aber nicht, dass es nicht auch in dieser Generation Frauen gibt, die Ergänzungsleitungen brauchen. Aber gesamthaft gesehen ist das Vermögen so hoch, wie es vermutlich nie mehr sein wird, denn bereits jetzt wird bei der Rente gespart, die Mehrwertsteuer angehoben und die Löhne steigen nicht mehr grossartig.

Unter anderem macht diese Generation aus, dass ihr im Schnitt viel Geld zu Verfügung steht, welches sie auch wieder an die jüngere Generation transferieren kann.

Nicht nur durch Vererben, sondern auch, indem beispielsweise der Klavierunterricht oder das Ferienlager der Enkelkinder bezahlt wird.

Es handelt sich um vielfältige Frauen mit einem oftmals guten Bildungshintergrund. Und natürlich ganz wesentlich: Es ist die Generation der 68er. Und damit die Generation der Feministinnen und der Frauenbewegung.

Wo kommen Sie persönlich im Alltag mit Menschen der verschiedenen Generationen in Kontakt?

Im beruflichen Alltag, bezogen auf die GrossmutterRevolution, habe ich eher mit der älteren Generation zu tun. Aber ich bin zum Beispiel noch Präsidentin der Gleichstellungskommission, der Vize-Präsident ist 26 und gehört damit ganz klar zur jüngeren Generation. Auch bei anderen Mandaten gibt es für mich keine Grenze, bei der ich sage, dass ich mich nur mit älteren Leuten beschäftige. Im Rahmen von Flüchtlingsprojekten habe ich auch immer wieder mit jüngeren Menschen zu tun. Mit ganz kleinen Kindern komme ich hingegen nicht viel in Kontakt.

Stichwort Digitalisierung: Wie geht die ältere Generation, die nicht mehr berufstätig ist, mit dem digitalen Wandel um?

Wenn ich noch arbeite, schafft meine Tätigkeit eine gewisse Notwendigkeit, sich mit dem digitalen Wandel auseinanderzusetzen. Wenn ich pensioniert bin, schafft diese Notwendigkeit dann mein eigener Alltag.

Ich erlebe diese Generation so, dass sie die digitalen Instrumente benutzt, soweit sie ihr von Nutzen sind.

Konkret bei diesem Projekt sind alle Frauen sehr gewandt, was das Surfen im Internet betrifft. Sie können vertiefte Recherchen zu Personen und Bildern betreiben, schicken Links hin und her, schreiben E-Mails und verschicken Anhänge. Jede der Frauen hat einen Computer und es besteht ein grosses Interesse an der neuen Technologie, insbesondere dem „iPad-Mini“.

Den ganzen Bereich von Social Media gibt es natürlich auch noch. Wir machten mal Facebook-Kurse, da Plattformen wie Facebook, Twitter, etc. einen interessanten Kontakt für diese Frauen zu ihrer Enkelkinder-Generation darstellen. Ich merke aber durch die Tatsache, dass die ältere Generation dort weniger vertreten ist, dass der Nutzen weiter weg ist und eine höhere Schwelle besteht.

Bei Dingen, die täglich gebraucht werden, sehe ich keinen Grund, dass die ältere Generation nicht genauso routiniert damit umgeht wie wir.

Wo sehen Sie persönlich die Vorteile und Nachteile der Digitalisierung?

Ein klarer Vorteil für mich besteht in der viel grösseren zeitlichen und örtlichen Flexibilität. Grundsätzlich auch ein riesiger Vorteil besteht in der Datenverwaltung. Daten können aufgenommen, ausgewertet, in einen Zusammenhang gebracht und Angebote optimiert werden. Gleichzeitig ist das ein riesengrosser Nachteil, bezogen auf den Datenschutz und das Stichwort des „gläsernen Menschen“.

Der Mensch ist in diesem Punkt sehr naiv, ihm ist nicht bewusst, was alles aus der gesammelten Datenmenge über uns gemacht werden kann.

Das fängt bereits bei einfachen Kartenzahlungen an und geht bis hin zu dem ständigen Preisgeben des persönlichen Standorts. Trotzdem empfinde ich diese Flexibilität unter dem Strich überwiegend als Vorteil. Einen weiteren Nachteil sehe ich in der Überdigitalisierung – es gibt viele Probleme, die analog um Einiges einfacher gelöst werden könnten als digital.

Hier werden wir teilweise Opfer von unseren eigenen Erfindungen.

Nun etwas weg von den Grossmüttern und hin zur Generation x, die noch fest im Berufsalltag steckt. Können Leute der Generation x in der Arbeitswelt noch mit den jüngeren Generationen mithalten, wenn man die Umstellungen der Digitalisierung mit in Betrachtung zieht?

Ja, das können sie. Es gilt aufzupassen, dass man nicht in das allgemeine Gejammer einstimmt, von wegen ältere Arbeitskräfte seien eine Belastung. Das ist eine sehr heikle und schwierige Entwicklung, primär gefördert durch eine Ökonomisierung, welche in älteren Menschen lediglich einen Kostenfaktor sieht. Das Ganze muss möglichst objektiv betrachtet werden. Gewisse Sachen werden vielleicht langsamer erledigt, das wird aber ausgeglichen durch die langjährige Erfahrung, die über die Jahre angesammelt wurde!

Es kommt natürlich darauf an, in welcher Branche man sich befindet. Im handwerklichen Bereich treten andere Schwierigkeiten auf als im Dienstleistungssektor, in welchem sich die Digitalisierung viel mehr bemerkbar macht. Ich bin der Meinung, dass ältere Arbeiter zum Beispiel im Bereich der Recherche wesentlich schneller arbeiten können, weil sie Informationen besser filtern und Relevanzen erkennen. Man sollte immer auf das Ganze schauen.

Ältere Arbeitnehmer sind definitiv keine schlechteren Arbeitskräfte.

Ein grundlegender Unterschied liegt im Denken – die jüngere Generation überlegt eher „digital“, wie gewisse Probleme gelöst werden können und vergisst dabei vielleicht mal, dass es analog viel einfacher gemacht wäre. Die ältere Generation denkt im Gegensatz dazu „analog“ und überlegt erst in einem zweiten Schritt, wie dieses Problem mit einer digitalen Lösung bearbeitet werden kann.

Könnte man sagen, dass die verschiedenen Generationen mehr voneinander abhängig sind, als das früher der Fall war (zum Beispiel auch in Bezug auf die Digitalisierung)? Ist das allenfalls auch eine Gefahr?

Wenn man betrachtet, wie klein der Entwicklungszeitraum vom ersten Computer, der zu Hause auf dem Schreibtisch gestanden hat, bis heute ist, dann stellt man fest, dass es sich hierbei um eine enorm kurze Zeit handelt. Sobald man aus dem Arbeitsmarkt austritt oder gar nicht im Arbeitsmarkt tätig ist, wird der Unterstützungsbedarf durch die jüngere Generation grösser. Sobald ich Enkelkinder habe und selbst nicht mehr im Berufsalltag tätig bin; Woher soll ich dann wissen, was genau Twitter, Facebook oder Instagram ist? Da ist man auf die Jungen angewiesen.

Wie kann die Generation x die Generationen y und z unterstützen?

Grundsätzlich ist dieses Unterstützungskonzept schwierig. Viele Konflikte im Arbeitsalltag entstehen durch den Anspruch der älteren Generation, die das Bedürfnis hat, die Jüngeren zu lehren und Unterstützung zu bieten und durch die Selbstvermessenheit der jüngeren Generation, die das Ganze selber herausfinden möchte und ihrerseits das Gefühl empfindet, dass eine ältere Person sowieso nicht mehr weiss, wie etwas geht. Sobald man einen solchen stereotypischen Anspruch entwickelt, entsteht ein Generationenkonflikt.

Nur weil ich etwas bereits seit 30 Jahren mache, bin ich nicht qualifizierter als jemand, der das seit 10 Jahren macht.

Und wo gibt es Potenzial für die jüngeren Generationen, die älteren Menschen zu unterstützen? Seien es nun Grossmütter oder aber auch schon die Generation x?

Sicher im Umgang mit Geräten und Methoden, welche die Digitalisierung einher bringt, und mit denen man nicht täglich zu tun hat, ist Unterstützung durchaus von Bedarf. Insbesondere sobald man nicht mehr im Berufsalltag tätig ist. Mal von der Digitalisierung abgesehen: Auch in sämtlichen anderen Bereichen macht es nur Sinn, wenn beide Personen einen Nutzen davon haben. Sobald aber eine der betroffenen Personen das Gefühl bekommt, sie stellt der anderen Person etwas zur Verfügung, was diese sonst nicht könnte, kann es nur scheitern.

Gerade in einem Betrieb empfinde ich es als enorm wichtig, auf die älteren Arbeitnehmenden und deren Bedürfnisse zu achten.

Es ist falsch, ältere Arbeitnehmende so zu betrachten, als hätten sie ein Defizit. Das löst Widerstand aus.

Inwiefern hat sich auch explizit die Rolle der Frau im Wandel der Generationen verändert? Wo sehen Sie Chancen und wo Risiken dieser Veränderungen?

Gerade vom zweiten Weltkrieg bis jetzt ist eine gigantische Veränderung feststellbar. Speziell auch für die Schweizer Frauen hat sich enorm viel geändert. Das Stimm- und Wahlrecht wurde eingeführt. Es führt zu einer grundlegenden Veränderung, wenn man plötzlich die andere Hälfte einer Gesellschaft daran beteiligt, diese Gesellschaft öffentlich mitzugestalten. Die Schweiz brauchte eher lang dabei, zum Beispiel beim Anpassen von Gesetzesgrundlagen, und dies macht sich bis heute bemerkbar.

An was sieht man das genau?

An den Gesetzgebungen. Zum Beispiel hat man erst im Jahr 2001 das neue Ehe- und Scheidungsrecht eingeführt.

Wir hatten lange eine Gesetzgebung, bei welcher die Europäer rundherum recht gestaunt haben.

Wir haben mit allem sehr spät angefangen. Natürlich beeinflussen Ehe- und Scheidungsgesetze, oder wie die Kinder versorgt werden und wer wie mitzubestimmen hat, die Biografie einer Frau wesentlich.

Die Rollenbilder sind im Allgemeinen vielfältiger geworden, was dennoch nicht heissen soll, dass man die alten Rollenbilder abgeschafft hat. Mehr Frauen haben heutzutage die Möglichkeit, eine bessere Ausbildung und Karriere zu machen. Die Betonung liegt leider immer noch auf „mehr“ und nicht auf „alle“. Weiter muss man an die ganzen Sozialversicherungen denken. Die Generation meiner Grossmutter hatte zum Beispiel noch lange keine Sozialversicherung.

Heute benötigen gut ausgebildete und arbeitende Frauen nicht mehr zwingend einen Mann, um die Familie finanziell über die Runden zu bringen.

Welche Eigenschaften vermissen Sie bei den Generationen y und z, welche die Generation x im Gegensatz dazu noch besitzt?

Die Fähigkeit, im Zug zu sitzen und für zwei Stunden lang und nicht auf das Smartphone zu schauen. Wobei das die Generation x ebenfalls bereits verlernt hat. Das ist vermutlich etwas, wozu nur noch die Babyboomer im Stande sind.

 

Überarbeitung durch die Redaktion von „Die Wirtschaftsfrau“

Rubrik

gefragt

Ausgabe

Digital und Generation

Anette Stade

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Nationalität
Deutsche

Geburtsjahr
1967

Webseite
kaito.ch
grossmuetter.ch

Info
Anette Stade lebt mit ihrem Partner in der Region Basel und ist Mutter von vier Töchtern. Sie arbeitet als selbstständige Projekt- und Unternehmensberaterin und ist Leiterin von Visionssuchen in der Mongolei und Präsidentin der Gleichstellungskommission Basel-Stadt.

Nachdem sie an der Fach-hochschue Luzern „Soziale Arbeit“ studierte, absolvierte sie verschiedene Aus- und Weiterbildungen in den Bereichen Management, Coaching und Persönlichkeitsentwicklung. Sie hat bereits über 20 Jahre Erfahrung im Bereich Innovationen und Inventionen zu gesellschaftlichen Fragestellungen.

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